Illustration eines Autos mit Alltagsgegenstand Feuerzeug

#013

Text:
Florian Hämmerle

Start up Your Brand
Notes on Branding

Mein Sohn kommt stolz ins Büro gestürmt. Mit Klopfen hat ers noch nicht so. Stattdessen drückt er mir ein Postit in die Hand und strahlt mich an. Darauf zu sehen: ein mit Bleistift gekritzelter Kopffüßer, wild ausgemalt mit lila Leuchtstift. „Das bist du!“ sagt er mit leuchtenden Augen. Seine Begeisterung ist ansteckend.

Natürlich hält sich die Ähnlichkeit mit meiner Person noch in Grenzen. Zumindest hoffe ich das. Und doch klebt sein Werk auch heute noch an meinem Monitor. Ich betrachte es gern: Immerhin weiß ich, dass ein Kind in diesem Alter nur zeichnet, was ihm absolut wichtig ist. Ein schöner Gedanke.

Mit der Zeit verändern sich seine Werke regelrecht sprunghaft: Von heute auf morgen kommt ein Rumpf hinzu, er zeichnet Hände mit drei bis sieben Fingern, experimentiert mit ersten Gesichtszügen. Mit der Übung kommen Details hinzu, seine Zeichnung nähert sich der Realität.

Ähnliche Situation, anderer Protagonist

Ich unterrichte an der Technischen Universität Wien und halte Vorlesungen zu Positionierung und strategischem Storytelling von Marken. Der Studiengang nennt sich Extended Studies on Innovation und zeigt jungen Studierenden aus unterschiedlichen Fachbereichen der IT, wie der Sprung von der theoretischen Arbeit in die wirtschaftliche Praxis gelingen kann. Wir arbeiten dazu an frühen Startup-Ideen.

Nach einer dieser Vorlesungen kommt ein Studierender auf mich zu. Er möchte mir etwas zeigen: Er hat für sein Startup ein Logo entworfen. Als er meinen irritierten Blick bemerkt, verleiht er dem Offensichtlichen Nachdruck: Er hätte gerne Feedback.

Ich halte also meinen Kopf schief, mal in die eine, mal in die andere Richtung, betrachte sein Werk und versuche, die richtigen Worte zu wählen. Da ich mich generell als hilfsbereiten Menschen sehe, will ich der Bitte ja nachkommen, verzweifel aber an der einfachsten aller Fragen: Wo soll ich anfangen?

Bitte versteh mich nicht falsch: ich habe im Rahmen meiner Lehrtätigkeit mit genügend Startups gearbeitet, um zu verstehen, dass das Budget der Studierenden nicht auf Bäumen wächst. Und ich denke auch, dass es gerade zu Beginn drängendere Fragen gibt, als jene zum eigenen Auftritt.

Brand Design macht erst Sinn, wenn eine Produktidee und die strategischen Grundzüge einer Unternehmung stehen. Nicht anders herum.

Illustration der Familie mit Mama, Papa und Geschwistern gezeichnet von einem Kindes

Unsere Familie. Manch Illustrator übt jahrelang, um solche Charaktere wieder hinzubekommen.

Zeichnung: Jonah

Um aber in der Analogie zu bleiben: Zwischen der Zeichnung eines Kindes und einer detaillierten Charakterstudie steht eine lange Auseinandersetzung mit der Tätigkeit an sich. Die Fähigkeit zu zeichnen entwickelt sich – durch Beobachten und Tun. Genauso verhält es sich bei Design – nur ist hier das Ziel nicht die Anreicherung von Details, sondern deren Reduktion: Gute Logos leben von wenigen, dafür umso markanteren Merkmalen.

Die Bild-/Wortmarken erfolgreicher Firmen erscheinen gerade deswegen so simpel. Da entsteht beim Laien schonmal der Eindruck, er hätte das auch gekonnt. Wo ist da die Arbeit dahinter? Und warum ist das so teuer? Ist doch nur ein Bogen. Der Prozess und die jahrelange Ausbildung (in Theorie und Praxis), die für Designer notwendig sind, um irgendwann einmal ein so einfaches Bild zu erzeugen, sind für den Betrachter unsichtbar.

Das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und Grenzen ist nicht nur eine Qualität reifer Persönlichkeiten; Es ist auch eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Entrepreneurship.

Was würde ich also einem frühen Startup raten, wenn es um die Gestaltung des eigenen Auftritts geht?

Nun, zunächst einmal, sich geeignete Partner zu suchen, wenn Design nicht dem eigenen Fachgebiet entspricht. Gestalter, die systemisch denken, die Ziele eines Brandings verstehen, Ideen visuell Form geben und dabei die gesamthafte Wirkung der Kommunikation im Auge haben. Das erfordert vom Gründerteam, die eigenen Fähigkeiten und Grenzen richtig einzuschätzen und zu erkennen, was sie selbst können und wo es angebracht ist, sich lieber Hilfe zu suchen.

Otago Logoentwicklung

Unser Logo für otago. Ist doch nur ein Dreieck?

Design: Hämmerle & Luger

Design und Funktion

Das Gesamtbild eines Auftritts wirkt unmittelbar – noch bevor wir uns bewusst mit den Inhalten beschäftigen. Gutes Design schafft ein professionelles und damit glaubwürdiges Abbild einer Idee. Professionell ist gleichbedeutend mit fachmännisch, so der Duden. Und der muss es ja wissen – per Definition.

Ein begeisterter DIY Handwerker käme nie auf die Idee, sein allererstes Konstrukt mit einem Designerstück zu vergleichen – oder der Arbeit eines gelernten Tischlermeisters. Grafik Designern passiert das aber regelmäßig, weil dem Betrachter das Bewusstsein über das Dahinter oftmals fehlt.

Im konkreten Dilemma hab ich mich durchaus bemüht, dem Studierenden Feedback zu geben und dabei respektvoll mit seinen Versuchen umzugehen. Und doch musste ich mir rasch eingestehen, wie sinnbefreit dieses Unterfangen eigentlich war: Der Studierende hatte sich Lob erhofft. So wie ich meinen Sohn für seine Kopffüßer lobe.

Der Vergleich ist natürlich stark übertrieben. Ganz so dramatisch war sein Werk nicht und das möchte ich auch betonen. Aber du verstehst hoffentlich, worauf ich hinaus will: Eine Auseinandersetzung von ein paar wenigen Stunden ist nichts im Vergleich zu einer jahrelangen Tätigkeit und Ausbildung als Gestalter. Und natürlich sieht man das einem Werk an.

Ich zeigte ihm also etwas unbeholfen die Mankos seines Entwurfs auf und erklärte ihm schließlich – als Reaktion auf seinen enttäuschten Blick – meinen Zwiespalt. Ich riet ihm davon ab, selbst zu gestalten. Full Stop.

Das war unangenehm – für uns beide.

Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Und das hat mich eine Weile beschäftigt. Zu demotivieren gehört schließlich nicht zu meinen Aufgaben als Lehrender. Zumindest nicht, wenn ich meinen Auftrag richtig verstanden habe.

Illustration THE HORSE von Ali Bati

Startups: links. Designer: rechts.

Illustration: Ali Bati

Wann, wenn nicht dann?

Seit diesem Moment widme ich einen bedeutenden Teil meiner Vorlesungen der Frage, warum es wesentlich ist, Hilfe annehmen und auch wertschätzen zu können – sei es die Unterstützung eines Designers oder eines anderen Professionisten. Warum diese Hilfe etwas kosten muss, denn umsonst ist oft völlig umsonst. Und ich versuche aufzuzeigen, wann meiner Meinung nach der passende Zeitpunkt ist, sich die Hilfe von Gestaltern ins Boot zu holen.

Die Antwort klingt banal: Sobald eine Idee
einen kritischen Moment der Sichtbarkeit erreicht.

Geht die Visualisierung etwa (noch) nicht über ein Pitch-Deck hinaus, macht es oft dennoch Sinn, das Folienset von einem Designer professionell überarbeiten zu lassen. Die Kosten sind überschaubar und das darf es mir wert sein: Ich glaube ja an meine Idee und bin hoffentlich überzeugt, sie wird die Kosten wieder hereinspielen. Diesen Glauben will auch ein potenzieller Investor sehen und schlussendlich spüren.

Ist eine Website in Planung, ist ein weiterer kritischer Punkt erreicht. Das wäre ein guter Anlass, die Basiselemente und Systematik eines Erscheinungsbilds definieren zu lassen, um sicherzustellen dass die Idee auch formal glaubwürdig und professionell transportiert wird.

Quasimodo im Anzug

DIY führt oft zu einem Flickwerk, das einfach nicht stimmig wirkt. Das Tech-Startup ist dann halt blau, das Logo kommuniziert zu Vieles gleichzeitig und vermisst die formale Einfachheit, die es benötigt, um auch wirklich zu funktionieren. Die Infografiken schreien nach Powerpoint, die Fotografien sind auf Bildportalen erworben – austauschbar und wenig authentisch. Das alles wird lose über ein WordPress-Template zusammengehalten, das immer irgendwie gleich aussieht.

Während sich mit den passenden Methoden und Modellen die strategischen Grundpfeiler eines Brandings selbst legen lassen – etwa Positionierung, Vision, Botschaften oder Zielgruppe – ist Design eine Profession, die Wissen über ihre Grundlagen, Funktion und Wirkung erfordert.

Deswegen werde ich auch weiterhin offen und ehrlich antworten, wenn ein fachfremder Studierender ein Design besprechen will. Und ich werde auch ihm raten, Hilfe zu holen, sobald das finanziell möglich ist.

Denn ein unprofessionelles Erscheinungsbild hilft Startups auf ihrem Weg keinen Schritt weiter. Ein professionelles jedoch sehr wohl. Das hat auch gleich einen weiteren Effekt: Es gibt dem Gründerteam die Zeit zurück, sich auf das zu konzentrieren, was gerade zu Beginn das Wesentliche ist: die Entwicklung eines überzeugenden Produkts und einer sinnvollen Strategie, es erfolgreich zu machen.

Zum Glück gibt es Förderungen für Marketingvorhaben (im weitesten Sinne). Man muss nur wissen, wen man fragt. Mein Freund und Nachbar Stephan wäre da ein guter Anfang. Er hat sich auf Förderungen und Investorensuche spezialisiert – vor allem für Projekte in den Bereichen Forschung & Entwicklung. Seinen LinkedIn-Kontakt findest du gleich unterhalb des Texts.

Gute Gestalter, denen ich vertraue, und die allesamt auch unabhängig von mir arbeiten findest du im Navigationspunkt David. Einfach direkt anschreiben. Sie freuen sich auf spannende Themen.

Wusstest du schon?
Ali Batis „The Horse“ war eigentlich Teil einer Kampagne für eine Kunstschule. Die Illustration hat ein Eigenleben entwickelt und ging viral: Heute kennt man sie als Aufhänger unzähliger Memes. Einen witzigen Ausschnitt sowie die restlichen Sujets der Kampagne zeigt der Gestalter mit Sitz in New York auf seiner Website unter „the ad that became a meme“. Als vermutlich einer von Wenigen hab ich ihn gefragt, ob ich das Bild hier verwenden darf. Er hat es mir erlaubt – vermutlich nach dem Motto: Ist eh scho Wurscht.