Zeichnung des Dirigenten Benjamin Zander

#012

Text:
Florian Hämmerle

Talking Heads
Notes on Branding

Ich lerne immer dann am besten, wenn mich ein Thema nicht nur fachlich, sondern auch emotional erreicht. TED Talks sind wie für mich geschaffen: Sie sind nicht nur kurzweiliger Zeitvertreib, sondern auch ein endloser Quell interessanter Persönlichkeiten, Perspektiven und Fragestellungen – verpackt in mitreißendes Storytelling.

TED Talks bieten selten konkrete Antworten, aber ich denke, das müssen sie auch nicht. Stattdessen liefern sie unverbrauchte Denkanstöße – ideal, wenn ich mich in meiner Gedankenwelt wieder einmal verheddere.

Ein paar meiner liebsten Vorträge habe ich hier zusammengefasst – ergänzt durch die Gedanken, die ich mitnehme. Die Links unter den Absätzen führen in die jeweilige Gedankenwelt des Vortragenden tiefer ein. Neue Entdeckungen ergänze ich natürlich – Hinweise sind ausdrücklich willkommen!

Benjamin Zander

Als Dirigent der Boston Philharmonics und einer der bekannteren Interpreten von Mahler und Beethoven, verbinden viele Benjamin Zander mit seiner fast schon kindlichen Begeisterung für klassische Musik. Sie hat ihm den Spitznamen „ältester Teenager der Welt“ eingebracht. Seine Vorträge vor den Konzerten sind bekannt für ihren Wortwitz und zahlreiche Anekdoten zwischenmenschlicher Erfahrungen. Sie erreichen damit eine große Gefolgschaft, die weit über die Anhängerschaft klassischer Musik hinausgeht.

The conductor of an orchestra doesn´t make a sound. He depends for his power on his ability to make other people powerful.

Benjamin Zander

In seinem Ted-Vortrag „The transformative power of classical music“ offenbart er uns zwei seiner zentralen Leidenschaften: die klassische Musik an sich und seinen Auftrag, sie an andere weiterzugeben. Sein Vortrag ist ein Musterbeispiel für Resonanz – unterstrichen von Chopins Prélude in e-Moll (opt. 28 No. 4).

Literatur:
The Art of Possibility von Rosamund Stone Zander & Benjamin Zander
Passways to Posibility von Rosamund Stone Zander & Benjamin Zander

Weblinks:
How to live a life of possibility Interview mit Benjamin Zander
Benjamin Zander Center offizielle Website

Simon Sinek

Was wir tun, ist mit anderen vergleichbar. Wir sind Grafikdesigner, Software Entwickler, Lehrer oder Bankangestellter. Unsere zentrale Motivation – sofern wir ihr folgen – aber nicht. Sie ist Ausdruck einer einzigartigen Identität und die Ursache dessen, warum wir tun, was wir tun. Simon Sineks schon etwas älterer TED Vortrag verdeutlicht, warum sein einfaches Modell des Golden Circles immer mit derselben Frage beginnt: „Warum?“ Und zeichnet damit eine Blaupause, was zugfähiges Leadership ausmacht.

People don´t buy, what you do. They buy why you do it.
And what you do simply proves what you believe.

Simon Sinek

Für Marken ist sein Ansatz besonders spannend. Denn auf der Sach-Ebene, der Ebene der Information und Argumentation, sind viele Unternehmungen absolut vergleichbar, oft sogar austauschbar. An meinem eigenen Beispiel skizziert, machen auch andere Branding – und sie machen das bestimmt auch gut. Was mich von anderen unterscheidet, steckt im „Wie“ und „Warum“: in der zentralen Motivation, die nicht nur meine Methoden oder Haltungen erklärt, sondern auch bei ähnlich Denkenden Resonanz erzeugt.

Sineks Buch „Start with Why“ wird schnell zum Bestseller und erklärt Führungskräften, Coaches, aber auch Marketern und Brandern das Modell anhand vieler Beispiele bekannter Figuren, Vorhaben oder Marken. Im begleitenden Handbuch „Find your Why“ stellt Sinek gemeinsam mit den Unternehmensberatern David Mead und Peter Docker praktische Methoden vor, um das Why von Einzelnen oder Kollektiven zu heben und als zugfähige Vision nach außen zu kommunizieren.

Literatur:Start with Why von Simon SinekFind your Why von Simon Sinek, David Mead & Peter Docker

Weitere Vorträge:How to discover your Why in difficult times von Simon SinekWhy great Leaders make you feel safe von Simon Sinek

Renny Gleeson

Der Markenstratege Renny Gleeson hilft Unternehmen und Marken durch neue Konzepte wie Viral Marketing oder Soziale Medien zu navigieren. Das Ziel sind gut gestaltete Momente, die Marken ausmachen – oft und gerne als „Brand Experience“ bezeichnet. Die 404 Seite wirkt da wie ein Paradoxon. Als schier plötzliches Phänomen wird ein User aus seiner Erwartung gerissen. Das fühlt sich unmittelbar falsch an: man fällt immerhin durch ein Loch im Code.

Das enttäuscht. Aber muss es das?

A simple mistake can tell me what you are not,
or it can remind me why I love you.

Renny Gleeson

Marken leben von den Momenten, die sie schaffen. Auch den kaputten.

Gerade die 404 Seite weckt in uns unmittelbar Emotion; das versucht auch gute Markenkommunikation (nur eigentlich im Positiven). Gleesons Botschaft: Wie wir mit Fehlern umgehen, sagt, wer wir sind.

Dass darin großes Potential steckt, zeigt der Markenstratege anhand einer unterhaltsamen Reise durch die Welt kaputter Erlebnisse – und zeigt, dass die 404 Seite die Beziehung zum Nutzer auch stärken kann, anstatt sie zu schwächen.

Weitere Vorträge:Our antisocial phone tricks von Renny Gleeson

Tim Leberecht

Die Zeiten, in denen ein Mensch oder ein Unternehmen die absolute Kontrolle über ihren Ruf hatten, sind vorbei – wenn sie überhaupt existiert haben. Online Tratsch und Spins sind Ausdruck einer Medienlandschaft, die sich in hoher Geschwindigkeit verändert:

Vom statischen Medium hin zu einem dynamischen, interaktiven Medium. Mit einher geht auch eine Herausforderung für die traditionelle Markenführung, denn die Reaktion und Interaktion von Menschen sind in Social Media Kanälen kaum vorhersehbar und noch weniger kontrollierbar.

At the end of the day, as hyperconnectivity and transparency expose companies' behavior in broad daylight, staying true to their true selves is the only sustainable value proposition. Or as the ballet dancer Alonzo King said, 'What's interesting about you is you.'

Tim Leberecht

Der Marketer Tim Leberecht präsentiert drei Vorschläge, diesen Kontrollverlust nicht nur zu akzeptieren, sondern sich lustvoll auf ihn einzulassen. Er sieht ihn als Anstoß, sich als Marke wieder auf das zu besinnen, was sie wirklich ausmacht: die eigene Identität, die auf Werten und Vorstellungen basiert und mitunter auch den Mut zeigt, vom Höher/Schneller/Größer unserer getriebenen Welt abzuweichen.

Literatur:Gegen die Diktatur der Gewinner von Tim LeberechtThe Business Romantic von Tim Leberecht

Weblinks:10 brand stories from Tim Leberechts TED talk von Kate May4 ways to build a human company in the age of machines von Tim Leberecht

Pat Kelly

Kein TED Talk. Und irgendwie doch: Der selbsternannte „Thought Leader“ (deutsch: Vordenker) Pat Kelly erklärt in seinem Vortrag das, was „Vordenkerschaft“ ausmacht: Wie man mit den Händen spricht, eine Standing Ovation provoziert und Menschen inspiriert – indem man rein gar nichts sagt.

In 2009, I met another 'thought leader' and I asked him how he became a 'thought leader' and he said 'I don't know.' It was then that I knew I could be one too.

Pat Kelly

Ihm gelingt eine urkomische Persiflage sämtlicher TEDs dieser Welt – und entlarvt damit die Methoden von Persönlichkeiten, denen wir gebannt zuhören, weil … ja warum eigentlich? Sein Vortrag zeigt, wie wir Signalen wie Gestik, Mimik, Stimmlage und Lautstärke regelrecht schutzlos ausgeliefert sind. Das ist erschreckend – wäre es nicht so witzig.


Maria Savko Portrait

Maria Savko
Illustration