Zeichnung eines eierlegenden Schweins mit Federn

#008

Text:
Florian Hämmerle

Was fürn Ding?
Notes on Branding

Neulich, auf der FH, blicke ich auf die Uhr und stelle fest, dass ich aus Angst mich zu verspäten wieder einmal viel zu früh da bin. Also sitze ich am Rednertisch und fluche nervös vor mich hin. Ein Student betritt den Seminarraum und macht ein erschrockenes Gesicht, als er mich sieht. Seine Vorwärtsbewegung ist für einen Wimpernschlag verzögert – so wie bei dieser Finte beim Elfmeter.

Ihm ist klar: Er ist der Erste. Und sein Vortragender ist auch schon da. (Warum eigentlich?) Wie unangenehm. Abhauen ist nicht, schaut ja blöd aus.

Also stehen wir Zwei betreten in einem Raum, der sich plötzlich viel zu groß anfühlt. Aus Höflichkeit tun wir, als würden wir uns gerade sehr füreinander interessieren. Ich frage ihn, wie das Studium so läuft – übrigens meine Standardfrage, die immer der Erste ausbaden muss (Sorry!). Seine Antwort habe ich zwar vergessen, der Rest des Gesprächs blieb aber hängen:

Er: "Und was machen Sie so?" Ich: "Branding."
Er völlig verwirrt: "Was fürn Ding?"

Priceless.

Aber zugegeben, die Frage trifft ohne Ahnung voll ins Schwarze: Denn Branding ist eine sehr schwammig definierte Angelegenheit. Marketing, Corporate Identity, visuelles Erscheinungsbild oder eben Branding – diese Begriffe werden gern und häufig synonym füreinander verwendet. Und nicht mal nur von Laien, sondern auch von vielen, die es eigentlich besser wissen müssten. Dabei bezeichnen sie allesamt unterschiedliche, wenn auch eng verzahnte Konzepte.

Es folgen die häufigsten Fragen der Studierenden – und ein Erklärungsversuch aus meiner Sicht.

Was ist eine Marke?

Marke ist das, was andere über uns denken. Das mag erstmal verwirren, daher zwei Beispiele: Der Wert der Marke Apple basiert auf der Begeisterung, die das Unternehmen in den Köpfen ihrer Kunden schafft. Der Wert der Marke Intel ist Resultat des Know-hows, das wir Intel zuschreiben.

Images schaffen Verlässlichkeit, denn wir wissen stets, woran wir sind. Für uns Konsumenten ist das Grund genug, tiefer in die Tasche zu greifen.

Marke ist das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen Kommunikation auf der einen Seite und der Wahrnehmung auf der anderen. Das bedeutet aber auch: Wenn ein Unternehmen Qualität predigt, aber keine liefert, leidet auch das Image – und damit der Wert der Marke.

Marke entsteht also ganz automatisch. Wie Paul Watzlawick schreibt, können wir ja nicht nicht kommunizieren. Und nach dem Ursache / Wirkung Prinzip erzeugt jede Form von Kommunikation auch einen Effekt.

Was ist Branding?

Der Begriff Branding bezeichnet Methoden und Modelle, sich diese Mechanismen bewusst zu machen und Botschaften und Kanäle mit dem Ziel zu nutzen, ein ganz bestimmtes Image aufzubauen, zu stärken oder zu verändern. Branding zielt also strategisch darauf ab, eine ganz bestimmte Marke zu etablieren.

Welchen Einfluss hat Identität auf Marke?

Unserer Identität können wir uns nicht entziehen, auch wenn wir das oft versuchen. Und unsere Identität zeigt sich: durch unser Verhalten, unsere Art zu kommunizieren, im Stil unserer Kleidung, sogar der Wahl unserer Freunde. Vieles davon geschieht unterbewusst, manches sogar unbewusst. Mit Unternehmen ist das nicht anders:

Die Identität wächst ganz natürlich, Gründer sammeln gerade zu Beginn Menschen um sich, die ihre Ziele, Ideen und Sichtweisen teilen. Aus den Werten einzelner Personen werden so die Glaubenssätze eines Kollektivs.

Diese gemeinsame Haltung zeigt sich in der Kultur (Corporate Culture), dem Verhalten (Corporate Behavior), der Tätigkeit (Services oder Produkte); aber auch in der Kommunikation (Corporate Communications) und dem Auftreten (Corporate Design).

Corporate Identity Modell nach Metadesign

Das Corporate Identity Modell nach Metadesign. Links: das Unternehmen. Rechts: das Image / die Marke.

Infografik: Florian Hämmerle

Ist Branding dasselbe wie Corporate Identity?

Viele Agenturen verwenden die beiden Begriffe synonym zueinander. Der Begriff Corporate Identity ist aber etwas irreführend, denn sie ist keine Leistung von Agenturen. Sie existiert bereits im Vorfeld und ist natürlich gewachsen. Agenturen legen Identität daher keinesfalls fest, sondern entwickeln eine Sprache, um sie als Persönlichkeit nach innen wie außen sicht- und spürbar zu machen.

Dazu müssen sich Gestalter und Strategen mit dem Bestehenden auseinandersetzen, die Identität verstehen und das Einzigartige dahinter benennen. Gelingt das, drücken Design und Sprache aus, was auch wirklich da ist. Das System stimmt in sich.

Welche Rolle spielt das Logo für das Branding?

Das Logo erfüllt wie alle anderen Elemente im Branding eine ganz gewisse Aufgabe – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Im konkreten Fall: die Markierung einer Botschaft mit einem ganz bestimmten Absender. Das Logo fungiert als eine Art Unterschrift.

Die Botschaften und Aussagen eines Unternehmens, die Kultur, das Verhalten der Mitarbeiter, aber auch die Umgebung, in der ich dem Unternehmen und seinen Menschen begegne – sie alle schaffen Momente, die unsere Einstellung gegenüber einer Unternehmung spürbar beeinflussen.

Das Logo ruft diese Assoziationen dann hervor – positiv wie negativ. Verbinden wir also gute Momente mit einem Unternehmen, ruft das Logo gute Emotionen hervor. Dasselbe gilt auch für die schlechten.

Gestalter erschaffen also keine „emotionalen“ Logos, wie Briefings gerne fordern. Stattdessen entstehen Emotionen, die wir mit einem Logo verknüpfen, erst als Resultat unserer Begegnungen mit einem Produkt oder einem Unternehmen.

Für Gestalter ist das eine gute Nachricht, denn sie können sich auf das besinnen, was gute Logos ausmacht: Ästhetik, Lesbarkeit, Reproduzierbarkeit und Wiedererkennbarkeit.

Was zeichnet gute Markenkommunikation aus?

Gute Kommunikation auf Markenebene beginnt damit, sich die richtigen Fragen zu stellen – und sie dabei auch noch richtig zu stellen. Aus „Was will die Zielgruppe hören?“, wird etwa „Was hab ich zu bieten? Und bei welcher Zielgruppe erzeugt das Resonanz?“. Gute Markenkommunikation drückt das aus, was wirklich da ist und verschafft sich bei den Menschen Gehör, die genau das gut finden.

Das hat gleich mehrere Vorteile: denn die Wahrheit lässt sich leichter merken. Die Unternehmung muss sich weniger verbiegen. Und Produkt und Kommunikation erzeugen keine Widersprüche.

Resonanz sorgt dafür, dass die Chemie stimmt. Gerade Dienstleister ziehen so Kunden an, mit denen es angenehmer und einfacher ist zu arbeiten.

Aber was, wenn die Zielgruppe die Wahrheit gar nicht hören will?

Branding ist wie ein Frame, der richtig gesetzt werden will. Jeder Fakt hat mehrere Seiten, wie er betrachtet und beleuchtet werden kann – im Positiven wie im Negativen. Ein Beispiel aus meiner Lehrtätigkeit am Recruiting Campus:

Ein marktführendes Unternehmen, das aus einer Hundertschaft an Menschen besteht, hat es schwer, Individualität so zu fördern, wie es kleinere Unternehmen können. Im Recruiting ein Nachteil, denn die Zielgruppe der Generation Y lässt sich durch finanzielle Anreize schwer locken, sie möchte sich lieber selbst verwirklichen. Da liegt es doch nahe, einfach so zu tun, als ob?

Behaupte ich etwas, nur um einer Zielgruppe gerecht zu werden oder überhaupt erst Kandidaten zu finden, besteht die Gefahr, dass junge Mitarbeiter das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder enttäuscht verlassen. Die Stelle ist erneut vakant, das Problem ist nicht gelöst – es ist nur vertagt. Noch dazu schade ich meiner Marke als Arbeitgeber – in Zeiten von kununu und Social Media gar nicht so ungefährlich.

Da empfiehlt es sich, den Frame ins Positive zu verschieben: Denn Größe bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich eine Nummer unter vielen bin. Positiv formuliert, bin ich Teil von etwas Großem, das vielleicht sogar ganze Märkte beeinflusst.

Dieselbe Aussage, aber in anderen Worten, vermittelt eine Botschaft, der das Unternehmen auch gerecht werden kann. Und zieht Menschen an, die diesen Gedanken anziehend finden – auch in der Generation Y.

Was macht gute Marken dann so erfolgreich?

Erfolgreiche Marken reduzieren ihre Signale auf ganz wenige Botschaften, die sie mantra-artig wiederholen. Ein zugespitztes Beispiel zeigt das folgende Video von Apple, das eine einzelne Keynote auf die häufigsten Adjektive zusammenkürzt.

Marken wie Apple, Samsung, Intel oder Virgin bleiben ihren Prinzipien über Jahre hinweg treu und predigen konsistent dieselben Botschaften. Jede Werbemaßnahme, jede Marketing-Aktion, auch die verwendeten Designelemente ordnen sich den strategischen Zielen des Brandings unter.

Eine fokussierte Marke kommuniziert also nicht viele unterschiedliche Botschaften an ebensoviele Zielgruppen, sondern macht eine durchgängige Botschaft unterschiedlichen Zielgruppen schmackhaft.

Der Unterschied wirkt klein, ist es aber nicht. Zur Illustration: die Marke Apple adressiert ein Grundbedürfnis von uns Menschen – nämlich, etwas Spezielles, Besonderes zu sein. Dieser Wunsch ist völlig unabhängig von klassischen Zielgruppen und hat nichts mit Alter, Geschlecht oder finanziellem Milieu zu tun.

Wozu externe Hilfe?

Verhalten und Kultur schlagen tiefe Wurzeln in der Identität eines Unternehmens. Sie werden von Menschen geprägt, die das Unternehmen gegründet haben, und von Mitarbeitern getragen, die die Marke im Alltag leben. Gute Kommunikation und gutes Design müssen auch in der Wechselwirkung mit diesen bereits stehenden Säulen funktionieren.

Da Design und Kommunikation vergleichsweise leicht abzuändern sind, ist die Versuchung groß, sich an die Erwartung von Zielgruppen anzupassen, oder sich nach außen hin schöner, größer, klüger darzustellen. Entspricht das nicht der Wahrheit, ist die Enttäuschung vorprogrammiert.

Gute Kommunikation drückt den Kern einer Marke so aus, wie er ist, um authentisch zu bleiben und die Gefahr einer Enttäuschung zu minimieren. Der Kern eines Unternehmens muss dazu freigelegt und das Gute daran benannt werden, um das zu ermöglichen.

Das fällt umso schwerer, je näher man sich am Unternehmen befindet. Man sieht den Wald eben nicht, wenn man nur wenige Zentimeter vor einem Baum steht. Will man, dass dieser Kern auch nach außen gut und professionell kommuniziert wird, führt um die Expertise und die Erfahrung gut ausgebildeter Gestalter kein Weg vorbei.


Kelelowor
Illustration