Logokonstruktion Angelbird

#004

Text:
Florian Hämmerle

Rebel with a Cause
Case Study, Angelbird

Wir schreiben das Jahr 2016. Angelbird ist zu diesem Zeitpunkt noch klein. Richtig klein. Während der Branchenriese Samsung weltweit eine halbe Million Mitarbeiter beschäftigt, arbeiten bei dem Vorarlberger SSD-Hersteller gerademal 6 Personen. Gefertigt wird auch nicht am Fließband, sondern in einer Art High-Tech-Hinterzimmer: Von Hand zusammengebaut und gelasert dauert die Herstellung eines Angelbird Produkts schonmal bis zu einer halben Stunde. Die aufwändige Prozedur kostet Zeit und damit Geld. Das hat Auswirkungen auf die Lieferzeiten und den Preis.

Die Testberichte zu Angelbirds Produkten sind herausragend. Doch Geschwindigkeit, Größe und Langlebigkeit unterliegen einem ständigen technologischen Fortschritt, in dem es für ein kleines Unternehmen unmöglich ist, das Feld über lange Zeit anzuführen. Für den Laien sind die minimalen Performance-Unterschiede zwischen den SSDs verschiedener Hersteller kaum spürbar und damit für die Kaufentscheidung nicht relevant.

Der Mainstream-Konsument greift am Regal lieber zu Marken, die er kennt und denen er vertraut. Und das sind jene mit den hohen Marketing-Etats. Sogar, wenn er dort nicht mehr ist, als nur eine Nummer unter vielen.

Die rationale Entscheidung ist eine Illusion.

In ihrer Überzeugung unterliegen Entwickler technischer Produkte gerne einem Trugschluss: Dass der mündige Käufer rationale Entscheidungen trifft, Für und Wider sorgfältig abwägt und so zum logischen Schluss kommt, dass es nur eine richtige Kaufentscheidung geben kann. Es herrscht die Ansicht, dass der Konsument mit den richtigen Argumenten schon irgendwie überzeugt werden kann. In der Bewerbung der Produkte dominieren ellenlange Feature-Listen, schwer verständliche technische Kürzel und abstrakte Performance-Angaben, die die Highlights eines Produktes unterstreichen sollen.

Die Argumenation über Hard Facts macht die Produkte lediglich vergleichbar, sie schafft keine Einzigartigkeit. In der Markenführung ist das eine glatte Themenverfehlung.

Die rationale Entscheidung ist allerdings eine Illusion. Das wusste schon Abraham Maslow, der untersuchte, wie unsere innersten Motive unser Verhalten entscheidend beeinflussen. Er spricht damit jene Grundorientierung an, die unsere Entscheidungen unbewusst prägt und uns ein Leben lang begleitet. Im Modell von Carol Pearson und Margaret Mark werden seine Erkenntnisse mit C. G. Jungs Archetypen kombiniert – Verhaltensmuster, die aus diesen Motiven resultieren.

Im Archetypal Branding dienen diese Archetypen dazu, die Identität und die Kernmotivation hinter einem Unternehmen zu definieren und sie mit gezielter Kommunikation nach außen zu tragen. Das schafft Möglichkeiten zur Identifikation mit einer Idee und Vertrauen durch den Konsumenten. Mehr noch, lässt es sich für das Storytelling einer Marke nutzen.

Im Branding-Prozess mit Angelbird führen sämtliche Interviews und Umfragen zu einem ähnlichen Ergebnis: Angelbirds Lust querzudenken und zu hinterfragen, sowie dem starken Willen zu einem eigenen, bedingungslos freien Weg abseits der Genrestandards. In ihren Methoden geht das Unternehmen recht eigenwillige Wege.

Angelbird testet Widerstandskraft ihrer externen SSD, indem sie aus großer Höhe fallengelassen, mit dem Hammer traktiert oder mit dem Auto überfahren wird. Im erwähnten Model entspricht das dem Archetyp des Rebellen.

Während Samsung mit seiner SSD T1 etwa den Kreativen in uns anspricht, Intel als Experte mit unserer Vernunft kokettiert und Sandisk gemeinsam mit G-Star den Abenteurer mimt, lebt Angelbird ganz bewusst seine Rolle als Außenseiter. Das Unternehmen befindet sich damit in illustrer Gesellschaft: Inspiration sind etwa popkulturelle Ikonen wie James Dean oder Vivienne Westwood, Revoluzzer wie Che Guevarra oder Galileo Galilei, Whistleblower wie Edward Snowden oder Julien Assange; Die früheren Kampagnen von Benetton, Sixt, Harley Davidson, Diesel oder Apple´s Think Different – sie alle leben vom selben Prinzip: Konventionen zu hinterfragen, Normen zu beugen, Regeln zu brechen und sich so vom Rest abzuheben.

Als winziger David kämpft Angelbird gegen einen übermächtigen Goliath. In der Mythologie triumphiert die Intelligenz über die schiere Größe. Und auch in den zahlreichen Reviews schneiden Angelbirds Produkte konsequent besser ab als die der Konkurrenz. Echte Innovation ist Angelbird wichtiger als hohles Marketing Bla bla und auch im Hinblick auf den Megatrend Individualisierung bietet die kleine Firma eine Lösung:

Massenprodukte können unsere Individualität nicht fördern, auch wenn große Marken uns genau das suggerieren.

Angelbirds Produkte können das allerdings schon, es existieren ja nur wenige. Darüber hinaus werden sie in individuellen Farben und auf Wunsch sogar Personalisierungen ausgeliefert.

Aus Schwächen werden Prinzipien.

Die Marke dichtet so ihre vermeintlichen Schwächen in Prinzipien um. Ihre Botschaften sind laut, provokant und funktionieren immer nach demselben, eigentlich banalen, und doch effektiven Schema: wir verschieben den Rahmen und damit den Fokus der Aussage:

Natürlich kostet das mehr, es ist ja auch kein Massenprodukt. Und natürlich dauert die Lieferung länger, es ist ja auch Handarbeit. Und natürlich sind externe Platten irgendwie altmodisch, die Cloud ist aber auch ziemlich unsicher. Der Rebell wird auf allen Ebenen der Kommunikation sichtbar – sowohl in den Botschaften wie auch der neuen und provokanten Designlinie.

Angelbird stellt den Habitus großer Unternehmen an den Pranger und wird mit seinen Parolen zum unbequemen Aktivisten. Der Rahmen ist einfach: Jeder Mitarbeiter weiß genau, wie ein Rebell kommunizeren muss – auch ohne Marketingkenntnisse.

Der Erfolg gibt der Ausrichtung recht: Das zeigt sich nicht nur in Angelbirds starker Identifikation mit der eigenen Marke, sondern wird 2016 auch mit dem Red Dot: Product Design Award für die SSD2GO PKT ausgezeichnet. Auch das Medienecho ist positiv und verschafft der Marke zusätzliche Sichtbarkeit. Das Branding Projekt hat erhöhte Absatz- und Umsatzzahlen zufolge. Sein wirtschaftlicher Mehrwert für das Unternehmen wird im Wettbewerb um die besten Kreativwirtschaftsgeschichten von der Kreativwirtschaft Austria (WKO) mit einem “Merit a Mention” ausgezeichnet.


Umgesetzt im Rahmen von Hämmerle & Luger

Art Direction: Vinzenz Luger
Strategie: Florian Hämmerle

Grafik Design: Vinzenz Luger, Jakob Brix, Christof Nardin, Daniel Kalkhofer, Daryna Eder, Andrea Holzner, Florian Hämmerle. Markenstrategie, Storytelling & Text: Florian Hämmerle. Programmierung: polymorph, perfany. Renderings: helloweare, Angelbird. Projektmanagement: Marlene Leichtfried, Cornelia Neuwirth.

Kunde: Angelbird Technologies. Branche: Hardware. Geografie: Lustenau, Österreich. Zielmärkte: international. Kategorie: Product Brand, Product Brand. Zentraler Archetyp: Rebell. Projektumfang in Stichworten: Workshops, Markenstrategie, Markendesign, Logoentwicklung, Font Design, Claimentwicklung, Slogans, Corporate Vision, Webdesign, Packaging, Drucksorten, Werbemittel, Brand Book.

Angelbird Webdesign
Angelbird Stationary
Angelbird Faltplakat
Angelbird Packaging Branding